dummy wrote:Beispiel: Es tut mir leid, dass ich so spät nach Hause komme.
Ich würde es z.B. so übersetzen: Entschuldigt, dass ich so spät komme/bin.
"Tut mir leid" (ohne das schriftsprachliche "es") würde ich für umgangssprachlicher halten als "Entschuldigt", was mir formaler und unterwürfiger vorkäme. Es kommt aber darauf an, wie der betreffende Charakter sonst spricht (und handelt) - falls die Formalität bzw. Unterwürfigkeit ein Wesenszug dieses Charakters wäre, würde ich ggf. sogar die Gelegenheit nutzen, dies hier zu unterstreichen. Eine Rolle spielt auch die Umgangssprache des Szenarios - ein Charakter in School Rumble spricht natürlich anders als ein Charakter in Lodoss Wars, wie Shuichi bereits erwähnte. Relevant ist bei der konkreten Szene übrigens auch, ob der Charakter nur eine
Erwartungshaltung nicht erfüllt oder gegen eine konkrete
Absprache verstoßen hat - bei letzterem wäre mehr Unterwürfigkeit angebracht.
Das "nach Hause" würde ich nicht ohne Not opfern wollen; es könnte aber beispielsweise dann rausfliegen, wenn dadurch die Diskrepanz zwischen Sprechdauer und Zeit zum Lesen des Textes kleiner wird, also wenn in diesem Falle die japanische Audio-Version nur ca. halb so viele Silben hätte wie die deutsche Untertitel-Version. Ich muss durch diesen Verzicht etwas (anderes) gewinnen, sonst akzeptiere ich ihn nicht. Vielleicht gibt es für dieses "nach Hause" einen konkreten Bezug an einer anderen Stelle der Handlung - dann würde ich diesen Teil umso weniger opfern wollen.
Ein Beispiel dafür: Viele Anime-Charaktere (meistens Mädchen oder kleine Kinder) verwenden statt "ich" ihren Vornamen; in den meisten Fällen übersetzt man das sinnvollerweise nicht wörtlich. Bei der etwa 17-jährigen Sayuri in Kanon 2006 (wo dieses Verhalten umso ungewöhnlicher ist) wird diese "Macke" später Teil der Handlung: Yuuichi und Sayuri diskutieren ausführlich darüber, warum sie das tut, und es ist sogar ein wesentliches Element ihrer Geschichte. Die entsprechende Episode kann man dann überhaupt nicht mehr sinnvoll übersetzen, wenn man zuvor an Sayuris Sprechweise "herumgedoktert" hat - das muss man aber leider schon an der Stelle wissen, wo Sayuri das erste Mal auftritt... einer der vielen Gründe, die gegen Speedsubs sprechen.
Ein Tip: Wenn Du Dich zwischen zwei Formulierungen nicht entscheiden kannst, dann mach mal für beide eine Google-Suche. Du siehst dabei nicht nur, welche der beiden (im Web) verbreiteter ist, sondern auch, welche Art von Quellen welche der Formulierungen verwendet (z. B. wenn die eine überwiegend in Forum-Postings, die andere aber überwiegend in "seriösen Quellen" auftaucht...). Ich tue das immer dann, wenn ich ein "schwungvolles" deutsches Idiom verwenden will und mir nicht sicher bin, ob ich damit zu sehr in einen konkreten Dialekt abgleiten würde.
dummy wrote:In manchen Fällen würde man nicht so viel Subtitel zum Durchlesen haben und die Information wäre trotzdem richtig vermittelt.
Weniger Untertitel ist
immer weniger Information - aber es kann Situationen geben, wo man dies im Interesse anderer erstrebenswerter Ziele in Kauf nehmen würde.
Bei einer Szene ohne wesentlichen Beitrag zum Inhalt der Geschichte hätte der Aspekt der Sprechdauer bzw. Charakter-Kompatibilität für mich eine höhere Priorität als etwa in einer Schlüsselszene der Handlung, wo ich im Zweifelsfalle lieber dem Zuschauer zumute, die Pause-Taste zu bemühen, als ihm eine für das Verständnis der Handlung wesentliche Information vorzuenthalten oder zu verstümmeln.
Beispiel: Zwei Charaktere reden über einen nicht anwesenden Dritten - Szenenschnitt zu diesem dritten Charakter, welcher niest. Wie übersetzt man das so, dass das Publikum begreift, was hier der Gag war? Ohne Fußnote wird das nicht klappen... und oft genug begreift schon der Übersetzer solche Szenen nicht.
Je mehr Aspekte des zu erreichenden Ergebnisses in die Entscheidung mit einfließen, umso besser wird üblicherweise das Ergebnis - und je mehr Du übersetzt, umso mehr Erfahrung mit Zweifelsfällen wirst Du sammeln. Es kann in Deiner Phase des Übersetzer-Daseins allerdings hilfreich sein, eine Episode mal von einem erfahrenen Übersetzer oder Editor gegenlesen zu lassen - der wird Dir erklären, worauf er bei bestimmten Stellen Wert legt und warum er bestimmte alternative Formulierungen bevorzugen würde. Ein zweiter Blickwinkel ist letzten Endes durch nichts zu ersetzen und eine intensive "Manöverkritik" kann durchaus einen vergleichbaren "Lehrstoff" vermitteln wie eine formale Schulung. Mach Dich aber darauf gefasst, schon Deine Wahl eines konkreten EngSubs als Vorlage hinterfragt zu bekommen...
dummy wrote:Manches kann ich nicht übersetzen. Es sind Redewendungen oder etwas, was aus zwei Wörtern gemischt wurde (also kein richtiges Wort) z.b. Misch - Wenden oder sowas. Da überlege ich, was am besten reinpassen würde, dass es noch einigermaßen Sinn ergibt.
Das finde
ich sehr lobenswert. Den Sinn der Handlung zu verstehen und ihn dem deutschsprachigen Publikum zu vermitteln sollte Vorrang vor allem anderen haben; die Wahl der Mittel (Untertitel, Fußnoten etc.) wird sich der jeweiligen Situation anpassen. Bei vielen japanischen Spezialbegriffen lässt sich der Satzbau über das Beibehalten des japanischen Begriffs plus Fußnote viel eleganter hinkriegen als über ein komplettes Umschreiben des Satzes; bei schwer verständlichen englischen Idioms ist es hilfreich, im Zweifelsfalle das entsprechende japanische Wort herauszuhören und nachzuschlagen, zwischen welchen Alternativen sich der EngSub-Übersetzer zu entscheiden hatte (dafür braucht man keine richtigen Japanisch-Kenntnisse, ein bisschen Satzbau plus Verb-Beugung sowie ein Online-Wörterbuch Japanisch-Deutsch reichen völlig aus), um zu erkennen, welchen Spielraum man selbst im Deutschen besitzt.
Wenn Du die Handlung des Anime wirklich verstanden hast, dann wirst Du daraus ableiten können, wie Du in einem konkreten Fall zu reagieren hast. Eine Zeile, bei der Dir selbst nicht klar ist, was sie (im Kontext der Geschichte) zu bedeuten hat, ist immer ein Alarmsignal für einen potentiellen Übersetzungsfehler (ggf. auch schon im EngSub, und letzteres umso eher, falls dieser EngSub ein SpeedSub war, dessen Übersetzer den weiteren Verlauf der Handlung zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit noch nicht kennen konnte - dann hilft nur: Entweder auf einen besseren EngSub als Referenz wechseln oder die Stelle so gut wie möglich nach Japanisch zurück übersetzen... was manchmal viel einfacher ist, als es generell klingen mag: Immerhin hast Du ja eine mindestens zu 9x% richtige englische Version vorliegen und kannst einen großen Teil der japanischen Version "zusammenpuzzlen").
Dein konkretes Beispiel mit dem "Misch-Wenden" kann ich nicht exakt nachvollziehen; möglich ist aber, dass Du zum Verständnis des Begriffs den japanischen Begriff in der (bedeutungstragenden) Kanji-Notation brauchst (kaskadierende Übersetzung mit Hilfe einer Zwischensprache wie Englisch bedeutet nun mal ständige Gefahr an Informationsverlust). Solche Fälle sind bei mir immer Kandidaten für eine Fußnote...
Und es gibt sogar Worte, die man
nicht übersetzen darf, weil ihre Funktion in der deutschen Sprache nicht das wiedergeben kann, was sie in der Ausgangssprache bewirkten. Beispiel: In Ai Yori Aoshi gibt es eine Episode, wo Kaoru am Telefon seiner Verlobten Aoi mitteilt, dass er bei "tomodachi" (friend) über Nacht bleiben wird. Sowohl im Japanischen als auch im Englischen ist der Begriff geschlechtsneutral, also mehrdeutig; auf Deutsch müsstest Du Dich zwischen "Freund" und "Freundin" bzw. "einer/einem Bekannten" festlegen, wodurch diese Mehrdeutigkeit verloren geht. Aber die Handlung der Episode basiert darauf, dass die (leicht verletzbare) Aoi
an dieser Stelle gar nicht auf die Idee kommt, dass es sich hier um ein anderes
Mädchen handeln könnte (was sie erst viel später und in einem brisanten Kontext erkennt, wo es immerhin um einen Kuss zwischen Kaoru und diesem Mädchen geht) und
deshalb ohne Zögern (weil ohne Risikobewusstsein) ihre Einwilligung gibt (und Kaoru sich selbst später Vorwürfe macht, diese Mehrdeutigkeit nicht sofort aufgeklärt zu haben). Die gesamte Episode steht und fällt also mit diesem einen Wort: "Freundin" würde Aois anschließenden Schock unverständlich werden lassen, "Freund" würde Kaoru explizit als Lügner hinstellen (was er nicht ist).
dummy wrote:Ist es eigentlich normal, wenn ich so übersetze, oder ist es eher üblich alles 1:1 zu übersetzen? Wie macht ihr das?
"Üblich" ist es leider viel zu oft, 1:1 zu übersetzen - besonders im Falle nicht verstandener englischer Idioms, bei denen die deutsche Version dann meistens grotesk unsinnig ausfällt. (Es juckt mich in den Fingern, Beispiele zu bringen, aber die entsprechenden Subber würden sich angepisst fühlen.)
Ich bevorzuge mutige, am Inhalt orientierte Übersetzungen; insbesondere hasse ich deutsche Übersetzungen japanischer Animes, bei denen man in jeder fünften Zeile den Satzbau des zugrunde liegenden EngSubs exakt herauslesen kann (wobei dann dieser Satzbau im Deutschen natürlich auch noch grammatikalisch falsch ist oder sich von dem in diesem Fall auf Deutsch üblichen Idiom stark unterscheidet) und deshalb zum vollständigen Verständnis der Handlung
in drei verschiedenen Sprachen gleichzeitig denken muss (denn ganz ohne Japanisch-Verständnis kommt man auch bei einem GerSub nicht aus, etwa was Honorifixe, Redensarten, zeremonielles Verhalten etc. angeht).
Wenn Du den Stil eines Übersetzer/Editor-Teams herausfinden willst, dann nimm Dir einen GerSub, der Dir gefällt, und vergleiche eine Episode davon mit den zu dieser Episode verfügbaren EngSubs (es reduziert Deine Arbeit, wenn Du einen GerSub auswählst, zu dem es nur wenige EngSubs gibt...).
Ein nettes Beispiel dafür wäre etwa School Days Episode 1, zu dem die EngSubs von AniYoshi und Conclave (beide ziemlich zeitnah zur Ausstrahlung in Japan erschienen, also "riskant" als Vorlage mit hoher Gefahr an Verständnisfehlern) deutlich voneinander abweichende inhaltliche Interpretationen aufweisen und man dem GerSub von GK sofort ansieht, dass dort an all diesen Stellen die Conclave-Version verwendet wurde.